Schwarze Corona-Samstage

Die Ereignisse, die sich all wöchentlich Samstags ereignen, zeigten deutlich wie dramatisch die Situation wirklich ist. Denn was in Leipzig und Frankfurt geschah, zeigte auf, dass der Staat schon fast machtlos ist: Machtlos denen gegenüber auf der er Jahrzehnte lang seine Politik ausrichtete. Machtlos denen gegenüber, welchen er versprach sie durch das Grundgesetz zu schützen.

Die sogenannte oder auch selbsternannte “bürgerliche Mitte” ist tief gespalten, in das Lager, welches die Corona-Maßnahmen akzeptiert und befolgt und in wiederum andere, die sie missachten, anzweifeln oder unter dem Schleier eine fehlgeleiteten Meinungsfreiheit versuchen sie als eine Art „Staatsstreich“ darzustellen. Wobei das Lager der*die Zweifler*innen immer mehr Zuwachs erhält. In Leipzig ließ sich ablesen, dass dort nicht mehr nur Faschist*innen verschiedener Gruppierungen, Esoteriker*innen, Verschwörungstheoretiker*innen und Impfgegner*innen gemeinsam auf die Straßen gingen, sondern auch durchschnittlichen Bürger*innen waren vertreten.

Der erneute „Sanfte Lockdown“ hat die Gemüter zum Überkochen gebracht. Viele besorgte Eltern schließen sich den selbsternannten „Querdenkern“ an, um für die Bildung und damit im weitesten Sinne die Zukunft ihrer Kinder zu kämpfen, die durch Corona eingeschränkt werden musste: Home-Schooling, E-Learning, unpraktikable Hygienekonzepte in Schulen und die von der Szene verhasste Maskenpflicht in Klassenzimmern und Schulhöfen macht diese Eltern zu Mitläufer*innen dieser Bewegung. Auf den an Wochenenden stattfindenden Kundgebungen referieren dann nicht mehr nur Vegan-Köche, esoterischen Heilpraktiker*innen, Reichbürger*innen, Bill-Gates-Verschwörungstheoretiker*innen, sondern anerkannte medizinische Fachkräfte. Wenn wie am vergangenen Samstag, eine examinierte Hebamme am Weserufer medizinisches Wissen dekontextualisiert und mit pseudowissenschaftlichen Fakten mischt, die ihr Vorredner( ein Heilpraktiker) bereits sehr überschaubar präsentierte, dann missbraucht sie das Vertrauen der Allgemeinheit. Das Vertrauen der Menschen, die sie als medizinische Fachkraft anerkennen und sich auf ihre Expertise verlassen. Schließlich stellte sich besagte Hebamme mit 35 Berufsjahren Erfahrung vor. Die Bewegung fängt an ihre Zweifel, an den Hygiene-Maßnahmen und der Existenz des Virus, in die Breite der Bevölkerung zu tragen.

Das Paradoxe ist, je mehr diese „besorgten“ und „zweifelnden“ Bürger*innen für ihre vermeintlich fehlenden Rechte auf die Straße gehen, desto mehr zwingen sie den Staat diese wirklich zu beschneiden und autoritärer zu handeln. 

Die aktuelle Herausforderung des Staates eine Güterabwägung. Oberste Maxime ist die Wahrung und das Handeln auf Basis des Grundgesetzes. Der Konflikt entsteht aber darin, dass sich Artikel 2 GG auf die aktuelle Situation nicht ganz zu passen scheint: Zum einen gewährt er das Recht auf eine freie Entfaltung der Persönlichkeit sofern diese nicht in die Rechte der anderer verletzt. Zum anderen sichert er jedem Menschen eine körperliche Unversehrtheit zu und erwähnt im nächsten Satz, dass die Freiheit der Person unverletzlich ist.

Der Staat hat sich dafür entschieden die Unversehrtheit zu wahren in dem er eine Epidemische Lage mit nationaler Tragweite feststellte und die Instrument des Infektionsschutzgesetzes anwendete. Dadurch wurden die Grundrechte eingeschränkt. Aber eben nur eingeschränkt und nicht vollständig abgeschafft: Es gibt noch eine Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft (Art.8 GG), wir können uns noch frei bewegen (Art. 11 GG), unsere Wohnungen und unser Eigentum sind weiterhin geschützt (Art. 13 und 14 GG) und das Tragen einer Maske, um andere rudimentär, aber erfolgreich zu schützen sind ein verhältnismäßig kleiner Eingriff in den freie Entfaltung der Persönlichkeit. 

Sicherlich ist das Recht auf Versammlungsfreiheit ein absolut schützenswertes Grundrecht, dennoch stand der Aufmarsch der Querdenker*innen in Leipzig in keinem Verhältnis zu den oben genannten Artikeln des GG. Deshalb ist es vielen lokalen Politiker*innen, vielen Medienvertreter*innen und auch mir, dem Autor, schleierhaft wie das OLG Bautzen, diese Veranstaltung die schon mit 16.000 Teilnehmenden angemeldet war überhaupt freigeben konnte. Die ca. 20.000 Teilnehmenden haben Samstag nichts anderes gemacht als ein völlig unverhältnismäßiges „Super-Spreading-Event“ herbei zu führen, um die Freiheit und die Unversehrtheit der Unbeteiligten, größtenteils nicht sympathisierenden und partizipierenden Mehrheit zu verletzen. Ich frage mich wie viele sich an diesem Samstag unbewusst angesteckt haben. Zu mal die Polizei lange unbeteiligt zu sah, wie Filmaufnahmen bewiesen, gab es kaum ernsthafte Bestrebungen die Demo aufzulösen, obwohl diese massiv gegen jegliche Bestimmungen verstieß. (Man überlege sich einmal wie groß die Fläche ist wenn 20.000 Leute ca. 1,5m Sicherheitsabstand einhalten sollen)

Wir brauchen eine politische und eine juristische Aufarbeitung. Eine solche Eskalation wie in Leipzig darf sich nicht wiederholen. Am 5.12. rufen die Corona-Leugner*innen in Bremen zu Großkundgebung auf – das muss verhindert werden!

Titelbild: https://www.recherche-nord.com/

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