Die Staustadt Bremen sucht neue Perspektiven. Die Initiative Einfach Einsteigen möchte den Bremer*innen neue Wege aus dem Stau aufzeigen und wirbt für Unterstützung. Die Idee: Einfach Einsteigen für die Verkehrswende. Der Nahverkehr soll zukünftig fahrscheinlos und attraktiver werden, damit Menschen vom Auto in Bus und Bahn umsteigen.
Der Verein Einfach Einsteigen denkt um: Neue Finanzierungswege müssen her, um den Bremer Nahverkehr auf die Zukunft einzustellen. Erstens ist der Straßenverkehr seit den 1990ern bis heute Grund für 20% des CO2-Ausstoßes in Deutschland. Zweitens muss dieser Wert genauso wie die Staus zur Rush-Hour drastisch verringert werden. Und drittens schließen die aktuellen Ticketpreise Menschen mit kleinem Geldbeutel von Mobilität und damit dem sozialen Stadtleben aus. Insgesamt soll Bremen sozialer, ökologischer und lebenswerter werden.
Dazu hat Einfach Einsteigen ein konkretes Finanzierungskonzept des Nahverkehrs über eine Umlage vorgelegt. Die eine Hälfte wird durch alle volljährigen Bremer*innen und Pendler*innen mit einem monatlichen Beitrag von 19,11 € finanziert. Für Menschen mit geringem Einkommen soll ein ermäßigter Betrag von 5-10 € / Monat gelten. Studierende beziehen weiter das Semesterticket. Die andere Hälfte zahlen die Unternehmen über eine Umlage auf Gewinne. Hinzu kommen Beiträge von Hotelgästen, die drei Euro pro Übernachtung bezahlen und dann einfach einsteigen können. Alle Minderjährigen und Schwerbehinderte sind von der Umlage befreit. Diese Mittel decken die Kosten, um Betrieb und Unterhalt eines deutlich ausgebauten bremischen Nahverkehrs zu finanzieren.
Die 75 Mio. € mit denen der bremische Haushalt aktuell den Nahverkehr subventioniert werden durch die Umlagenfinanzierung für Investitionen ins Netz frei. Denn bisher hat der Verkehrsentwicklungsplan 2025 zwar viele wichtige Maßnahmen für den Nahverkehr benannt, stand jedoch an vielen Stellen vor ungelösten Finanzierungsfragen. Mit dem Einfach Einsteigen Konzept wären von neuen Haltestellen der Regio-SBahn, über verbesserte Radmitnahme und höheren Komfort bis hin zu möglichen Querverbindungen zwischen Straßenbahnlinien verkehrsplanerischen Überlegungen keine finanziellen Grenzen mehr gesetzt. Zumal die bremischen Mittel über Bundes- und EU-Zuschüsse noch massiv erhöht werden können. Die Maßnahmen sollen durch einen Ausbau der Radinfrastruktur flankiert werden, um auch diesen Bereich attraktiver zu machen und keine Konkurrenz zwischen Rad- und Nahverkehr aufkommen zu lassen. Insgesamt ist die quantitative und qualitative Verbesserung des Nahverkehrsangebots, neben der Abschaffung von Tickets, der zentrale Hebel, um Menschen zum Umstieg vom Auto auf den Nahverkehr zu bewegen.
Auch in sozialer Hinsicht bietet Einfach Einsteigen eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Status Quo. Die aktuellen Ticketpreise sind für Menschen mit geringem Einkommen kaum zu stemmen und selbst das Stadtticket ist für viele ein Kraftakt. Wer schlecht angebunden wohnt braucht häufig immer noch ein Auto, dessen Unterhalt oft viel vom monatlichen Einkommen auffrisst. Beides verlangt vielen Familien und Haushalten mehr ab als es eine monatliche Umlage täte. Wer sich keinen Fahrschein leisten kann, aber auf Mobilität angewiesen ist, steht aktuell häufig vor dem Problem, dass Schwarzfahren als einzige Möglichkeit bleibt, um ein Ziel zu erreichen. Mit Einfach Einsteigen könnte Unterwegssein nicht mehr zum Delikt werden und würde so die Justiz entlasten. Jetzige Kontrolleur*innen könnten umgeschult werden, da durch das erweiterte Nahverkehrsangebot zusätzliche Jobs als Fahrer*innen im technischen Bereich sowie für Service und Reinigung benötigt werden.
Neben diesen direkt geschaffenen Jobs wird die Wirtschaft auch generell massiv von einem umlagefinanzierten Nahverkehr profitieren. Die Menschen kommen entspannter zu ihrer Arbeit, Handwerksbetriebe und Lieferverkehr stecken nicht mehr im Stau fest und durch den Wegfall der Fahrtkosten wird der Einzelhandel gegenüber dem Internethandel attraktiver. BSAG Prime statt Amazon Prime. Die Investitionen in die Infrastruktur werden zudem vielen lokalen Firmen Aufträge und Beschäftigung bringen. Darüber hinaus wird die Stadt durch ein gutes und autoarmes Verkehrsangebot attraktiv für junge Fachkräfte.
Die aktuellen Vorschläge verschiedener Akteur*innen in Bremen sind verglichen mit dem Einfach Einsteigen Konzept eher zaghaft oder betrachten das Thema Mobilität nur aus einer Richtung.
So ist das vorgeschlagene 365 Euro Ticket lediglich eine Subvention der Bestandskund*innen und die Erfahrungen aus Wien zeigen, dass ohne flankierende Maßnahmen kaum Menschen auf den Nahverkehr umsteigen. Zudem entzieht diese Idee dem Nahverkehr Geld, welches aus dem Haushalt zugeschossen werden muss und verringert so die Mittel, die eigentlich für einen dringend notwendigen Ausbau des Netzes investiert werden müssten. Dasselbe Problem besteht beim kostenlosen Nahverkehr für Schüler*innen (obwohl dieser zweifelsohne eine soziale Wohltat für sozial Schwache darstellt). Zudem besteht hier ein unbeabsichtigter verkehrspolitischer Fehlanreiz. Schüler*innen, die ins Erwachsenenalter kommen, in dem das Auto als Mobilitätsoption neu hinzukommt (pull-Faktor hin zu Auto), müssen gleichzeitig anfangen für die Nutzung von Bus und Bahn zu bezahlen (push-Faktor raus aus dem Nahverkehr).
Im Unterschied zu diesen eher partiellen Vorschlägen möchte Einfach Einsteigen ein neues, ökologisches und faires Mobilitätszeitalter in Bremen einläuten. Der Initiative geht es nicht nur um ein besseres Vorankommen, sondern darum, dass der öffentliche Nahverkehr zusammen mit dem Fahrrad zur niedrigschwelligsten und attraktivsten Art der Fortbewegung wird. Dabei greift das Konzept Hand in Hand mit stressfreien Alltagswegen, innovativen Mobilitätslösungen und einer lebendigen Stadt.
Deshalb fordert die Initiative die Bürgerschaft sowie den Senat auf, einen umlagenfinanzierten, fahrscheinfreien Nahverkehr noch 2019 zu beschließen, sodass dieses 2023 eingeführt werden kann.
Homepage: https://einsteigen.jetzt/
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Dieser Beitrag ist ein Gastartikel vom Team von Einfach Einsteigen. Vielen Dank und viel Erfolg bei eurem Projekt!