von Josi Dehn
Es gilt als ein Meilenstein der Gleichberechtigung: Das Frauenwahlrecht, das in Deutschland vor mehr als einhundert Jahren eingeführt wurde. Seitdem dürfen Frauen* genau wie Männer wählen gehen (aktives Wahlrecht) sowie selbst in ein Parlament gewählt werden (passives Wahlrecht). Doch wie kam es überhaupt zu diesem – aus heutiger Sicht selbstverständlichen – Schritt?
Zwar forderte bereits Ende des 19. Jahrhunderts die SPD als einzige deutsche Partei ein umfassendes Frauenwahlrecht – unabhängig von Schicht, Einkommen oder Tätigkeit; stand aber mit dieser Position nicht nur konservativ-bürgerlichen Parteien, sondern auch Teilen der Frauenbewegung selbst gegenüber. Bürgerliche Frauen* vertraten hier oftmals andere Sichtweisen als ihre proletarischen Schwestern und lehnten zum Teil ein Wahlrecht für Frauen* ab!
So kam es erst im November 1918, nur wenige Tage nach Ausrufung der Weimarer Republik, dass auch in Deutschland das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. Im internationalen Vergleich liegt das etwa in der Mitte. Doch damit war der Kampf für (politische) Gleichstellung noch lange nicht vorbei: So stellten von 1919 bis heute in keinem deutschen Parlament wenigstens die Hälfte der Abgeordneten. Vor hundert Jahren hieß es da noch beschwichtigend „Das braucht Zeit“ – schön, aber wie lange sollen wir bitte noch warten?!
Dieses Bild ist leider kein Einzelfall: In vielen Spitzenpositionen stoßen Frauen* an „gläserne Decken“. Die Jahreszahl hat sich geändert, die grundlegenden Ungleichgewichte sind aber hartnäckig geblieben. Zurück zum Beispiel Politik: Frauen* erfahren auf allen Ebenen des politischen Systems auf Benachteiligungen. Das beginnt und geht weiter bei der Aufstellung von Kandidat*innen vor Wahlen und zieht sich eben bis in den Bundestag. Eine Lösungsidee wären Quoten – hier lohnt sich aber der Blick auf das Detail, um zu bewerten, ob und wem diese nutzen. Außerdem sehen sich politisch aktive Frauen* schneller Druck und Kritik ausgesetzt, die oft auf persönlicher Ebene geübt wird. Kein Wunder, dass das abschreckend wirkt! Frauen*-Selfempowerment ist ein wichtiger Schlüssel, hier gegenzusteuern und Frauen*-Netzwerke aufzubauen.
Aber auch im Alltag zeigt sich die strukturelle Benachteiligung von Frauen*: So verdienen sie häufig weniger als ihre männlichen Kollegen (auch aufgrund von Teilzeitarbeit), leisten den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit, z.B. im Haushalt, und immer noch gibt es – oft schlecht bezahlte – „typische Frauen*berufe“, u.a. in der Pflege … Es ließen sich noch zahlreiche weitere Beispiele aufführen.
Das zugrunde liegende Problem ist die Art, wie unsere kapitalistische Wirtschaft heute funktioniert: Wertvoll soll nur sein, wer leistet – aber dass (unbezahlte) Care-Arbeit auch eine Form von „Leistung“ ist, wird dabei beispielsweise übersehen. Und überhaupt – warum müssen wir immer noch mehr leisten? Der Kapitalismus ist ein System, dass die Unterdrückung von vielen und Frauen* in besonderem Maße perfektioniert hat. Wie lange wollen wir uns das noch gefallen lassen?
Josi Dehn ist stellvertretende Landesvorsitzende der Jusos Bremen und organisiert u.a. das Frauen*vernetzungstreffen. Dort soll Frauen* die Möglichkeit geben werden, sich über verschiedene Themen in entspannter Atmosphäre auszutauschen.