von Tobias Thölken
Es war einmal eine Partei, die wollte die Politik der Bundesrepublik Deutschland so richtig aufmischen, die Demokratie erneuern und der FDP das Thema Bürgerrechte streitig machen. Nach dem Sensationserfolg bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus 2011 und den darauf folgenden Einzügen in drei weitere Landesparlamente sah es eine ganze Weile so aus, als wären die Piraten drauf und dran sich bundesweit als neue politische Kraft zu etablieren, ähnlich wie es die Grünen in den 80er-Jahren getan hatten.
Mittlerweile ist das Bild ein anderes. Die Umfragewerte der Piraten sind miserabel und so wie es momentan aussieht, wird daran auch der Kampfgeist der neuen politischen Geschäftsführerin Katharina Nocun nichts ändern. Schon der kometenhafte Aufstieg der Piraten war in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert worden – der schnelle und tiefe Fall wird es nun ebenfalls.
Die Piraten haben den Welpenschutz, den sie lange genossen, nicht genutzt. Von der Freiheit des Internets, der Stärkung der Bürgerrechte und der immer wieder vorgetragenen Forderung nach mehr Transparenz mal abgesehen konnten sie sich bis heute bei keinem noch bedeutsamen politischen Thema auf eine gemeinsame Linie einigen. Große Teile der Partei träumen zwar vom bedingungslosen Grundeinkommen, aber wie dieses konkret aussehen und funktionieren soll, darüber existieren immer noch die verschiedensten Ansichten.
Viele Beobachter machen die extrem flachen innerparteilichen Hierarchien für die Misere verantwortlich. Frei nach dem Motto: „Am Ende muss es eben doch jemanden geben, der das Kommando hat!“ Woran die Piraten aber tatsächlich zugrunde gehen, das ist ihre Ideologie der post-ideologischen Politik.
Mehr noch als alle etablierten Parteien frönten und frönten sie dem festen Glauben daran, Politik ließe sich am besten ganz ohne politische Einstellung machen. Die CDU, die „ideologische Politik“ fast genau so sehr verabscheut wie die Piraten, hat sich mittlerweile ihrerseits all ihrer politischen Überzeugungen entledigt. Zusammengehalten wird sie nur noch durch ihre Hierarchie, von deren Spitze aus Angela Merkel ganz pragmatisch festlegt, wie sich die Christdemokraten in Zukunft positionieren werden. Das wäre in der Piratenpartei undenkbar. Hier kann sich jeder mit seiner Meinung einbringen. Würde sich die Partei als konservativ, liberal oder links definieren, dann könnte so etwas durchaus funktionieren; die Mitglieder wären hinsichtlich ihrer politischen Ansichten vermutlich eine relativ homogene Gruppe.
So aber versinkt ein Parteitag der Piraten nach dem anderen in Chaos, zu vielen Themen gibt es fast so viele Standpunkte wie Delegierte. Die Krise der Piratenpartei führt uns also vor Augen was geschieht, wenn Menschen sich zusammenschließen um Politik einmal „ganz ohne Ideologie zu betreiben.“
Gar nichts. Objektive Fakten mag es geben. Wie wir sie aber bewerten und welche Konsequenzen wir daraus ableiten, hängt davon ab, mit welchen Augen wir die Welt sehen.