Genauso viel Mystery wie offene Fragen: Die dritte Staffel der deutschen Krimiserie „Babylon Berlin“ startete am 11. Oktober. Dabei widmet sie sich neuen Themen und zeigt einen Querschnitt der Zeit.
Die erste Folge der 3. Staffel der Erfolgsserie „Babylon Berlin“ beginnt im Jahr 1929. Die Zuschauer*innen sehen den stets übernächtigt aussehenden Protagonisten der Serie, Kriminalkommissar Gereon Rath (gespielt von Volker Bruch), der derangiert aus dem Börsengebäude Berlins taumelt. Es erfolgt ein Zeitsprung – die weitere Handlung setzt fünf Wochen zuvor an.
Nach dem Showdown der zweiten Staffel, der tiefe Einblicke in die Machtspiele der Konservativen der Zeit zuließ, rätselten die Zuschauer*innen um die Zukunft des jungen Kindermädchens Greta Overbeck, die getrieben von dem vermeintlichen Tod Ihres Verlobten als ausführende Kraft in dem Mord an Regierungsrat Benda und dessen Tochter fungierte. Doch das Staffelfinale sorgte für Klarheit: Ihr Verlobter lebt und engagiert sich in seiner Freizeit in der Hitler-Jugend und nicht, wie er vorgab, in der Kommunistischen Partei.
Mittlerweile sitzt das „Fräulein“ Overbeck in einem Frauengefängnis und fürchtet um ihr Leben, das maßgeblich von einer Person abhängt: Oberst Wendt (gespielt von Benno Fürmann), der es geschafft hat, die Position von dem ermordeten Chef der Politischen Polizei Benda zu übernehmen. Während Kriminalassistentin Charlotte Ritter (gespielt von Liv Lisa Fries) alles daran setzt, das Leben ihrer Freundin Greta zu retten, widmet sich das „Ermittlerduo“ aus Ritter und Rath zeitgleich einem neuen Fall. In den Filmstudios Babelsberg wird die Schauspielerin Betty Winter von einem herabstürzenden Scheinwerfer erschlagen und stirbt noch am Tatort. Es folgen zahlreiche weitere Manipulationen der Dreharbeiten, die den Finanziers des Drehs, bekannt als „der Armenier“, in die Verzweiflung treiben.
Feminismus im Licht der Zeit
Eine positive Überraschung der dritten Staffel ist die Vielzahl der Szenen, in denen die Unterdrückung von Frauen zu Zeiten der Weimarer Republik veranschaulicht wird. Vor allem Charlotte „Lotte“ Ritter, die sich in der zweiten Staffel durch harte Arbeit und viel Ehrgeiz in die Abteilung der Mord kämpfte, muss nun feststellen, dass sich nicht alle über ihr Mitmischen neben den ohnehin schon unorthodoxen Methoden ihres polizeilichen Mentors Gereon Rath freuen. Nebst dem Kampf um eine Karriere illustriert die Serie jedoch auch Momente der Machtlosigkeit und Verzweiflung in moralethischen Fragen wie z.B. Schwangerschaftsabbrüchen, von denen nicht nur Sexarbeiterinnen des Berliner Nachtlebens betroffen sind.
Politisches Kalkül oder Hollywood-Blockbuster?
Wie auch schon in den vorherigen Staffeln ist viel politisches Kalkül dabei, dass die Zuschauer*innen hinter die Kulissen von wichtigen Entscheidungsträgern, wie den Oberst Wendt, blicken lässt. Dieser hat sich auf der Karriereleiter ganz nach oben gemordet und war Drahtzieher in der Anstiftung, Verurteilung und Hinrichtung von Greta Overbeck, was in Staffel drei zu seiner Vertuschungsmission wird. Ganz anders wirken die Szenen in den Filmstudios Babelsberg, wo trotz mehrerer Mordfälle das bunte Leben mit viel Tanz und Musik nicht zu kurz kommt und durch ausdrucksstarke Kostümierungen und Schminke den Kontrast zum sonst so tristen und gespaltenen Berlin zeigt.
Neue Charaktere, neue Perspektiven
Die neue Staffel gewinnt viele spannende Persönlichkeiten dazu, wie den besten Freund „des Armeniers“ Walter Weintraub, der gefährlich gute Arbeit für seinen Partner in Crime leistet und damit den Status als Hauptverdächtiger in zahlreichen Morden erreicht. Auch der hinterbliebene Freund der ermordeten Betty Winter, Tristan Rot (gespielt von Sabin Tambrea, bekannt aus der Ku‘damm-Reihe), bringt die Figur eines exzentrischen Okkultisten in die Serie. Rot ist Teil eines esoterischen Kults, der bei Außenstehenden zunächst viel Ekel und Schrecken auslöst. Leider nimmt der Erzählstrang in den Filmstudios zu viel Raum ein und erinnert durch spannende Verfolgungsjagden und mysteriöse und obskure Verkleidungen mehr an einen Hollywood Blockbuster und hält weniger Wow- und Aha-Effekte bereit, die die ersten beiden Staffel so überzeugend machten. Auch das traurige Leben des Alfred Nyssen (gespielt von Lars Eidinger), der als einziger den bevorstehenden Börsencrash prophezeit und alles in Bewegung setzt, um aus dieser Krise zu profitieren, wird den Babylon-Fans unter die Nase gerieben ohne jegliche Relevanz für die anderen Handlungsstränge. Den Preis für den neuen Publikumsliebling gewinnt allerdings die Rolle des Hans Litten, der dem schwer zu durchbrechenden Machtgefüge der Elite als „Anwalt des Proletariats“ etwas entgegensetzen will.
An Themenkomplexen mangelt es leider nicht
Wenn die dritte Staffel von Babylon Berlin ein Motto hätte, es wäre wohl: Nichts ist, wie es scheint. Besonders überzeugend wird das bei der Figur des Oberst Wendt, der einerseits für seinen politischen Aufstieg vor keinem Mittel zurückschreckt, und andererseits beim Abendessen mit der Tochter des konservativen Generalmajors Seegers über politischen Idealismus kokettiert. Neben den Morden am Filmset und der frustrierenden Causa Overbeck, kommen in der dritten Staffel also der Börsencrash („Schwarzer Donnerstag“), der schleichende Aufstieg der Nationalsozialisten und die Spaltung bzw. Ahnungslosigkeit der Gesellschaft sowie die Rolle der Frauen in das Themen-Potpourri der ARD/Sky-Koproduktion. Und was ist eigentlich mit der verzwickten Beziehung zwischen Gereon und seinem totgeglaubten Bruder Anno? Am Ende bleiben viele Fragen offen und die wenigen Antworten, die die Zuschauer*innen bekommen, sind mit Ausblick auf die Tatsache, dass die Dreharbeiten für Staffel 4 erst im kommenden Frühjahr beginnen, eher enttäuschend und der sonstigen Komplexität der Serie nicht angemessen. Dennoch überzeugt die Staffel mit grandiosen Schauspieler*innen, aufwändigen Kostümen und erfrischenden Zusammenschlüssen in Liebe und Politik – Staffel 4 werde ich mir anschauen.
Die komplette dritte Staffel ist in der ARD-Mediathek kostenlos bis zum 21.01.2021 zu sehen.