von Marcel Englisch
Wenn wir über Chancengerechtigkeit und soziale Teilhabe sprechen, ist die Mobilität ein wichtiger Grundstein. Wir möchten zur Arbeit oder Uni fahren, wollen uns mit Freunden treffen oder in den Urlaub fahren. Die Möglichkeit „mobil“ sein zu können ist also zentral, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Umso wichtiger ist es also zu schauen, was derzeit falsch läuft, verändert werden muss und wie eine jungsozialistische Verkehrspolitik heute aussehen kann.
Die Probleme im Verkehr nehmen seit Jahren massiv zu, auch in Bremen. In der Überseestadt erleben wir täglich Staus, Straßenbahnen kommen oft zu spät und Radwege sind unzureichend ausgebaut. Das zeigt für mich erstmal, dass es massive Investitionen braucht. In den letzten Jahren wurden – zugunsten der schwarzen Null – notwendige Ausgaben in den öffentlichen Verkehr unterlassen und einige Bereiche privatisiert, die Verkehrsbetriebe wurden unter massiven Kostendruck gesetzt. Hier müssen wir dringend umsteuern: Bus und Bahn sind keine „Ware“, die den Staatshaushalt belastet, sondern notwendige öffentliche Daseinsvorsorge.
Mobilität als zentraler Teil vom sozialen Raum in Städten
Aber ich meine, den ÖPNV auszubauen wird nicht reichen. Gerade in Städten braucht es parallel eine Einschränkung des Autos. Das meine nicht nur ich, sondern auch der Züricher Verkehrspolitiker Rudolf Aechbacher, der die Innenstadt zugunsten des öffentlichen Nahverkehrs in Zürich umgestaltet hat und schon in den 90ern meinte: „Ohne die Einschränkung des Autoverkehrs ist jede Investition in den ÖPNV umsonst, den Autofahrer*innen steigen nicht um.“
Es geht um Flächenverbrauch und eine lebenswerte Stadt.
Und klar man kann solche Vorschläge als „ideologisch“ oder als „Kulturkampf gegen das Auto“ bezeichnen. Aber dann hat man die Probleme in den Städten einfach nicht erkannt, denn es geht auch um den Flächenverbrauch und eine lebenswerte Stadt.
Viele Städte steuern um, Oslo z.B. wird für die nächsten Jahre eine autofreie Stadt anstreben. Und auch in Bremen könnten wir was machen. Am Ostertorsteinweg im Viertel frage ich mich seit Jahren: Warum fahren hier Autos? Derzeit treffen hier Straßenbahn, Rad, Autos und Fußgänger*innen zusammen. Wer hier morgens schon unterwegs war, sieht die Folgen: Stau und Verspätungen. Abgesehen vom Lieferverkehr, ist ein Auto, hier auch einfach nicht notwendig. Zudem ist es einfach nicht schön dort zwischen Autos entlangzulaufen. Deshalb meine ich: Macht das Viertel autofreier und damit lebenswerter!
Investitionen in die Fläche – Schiene stärken
In der Debatte um eine Verkehrswende, muss aber zwischen urbanen und ländlichen Raum unterschieden werden. Wir brauchen aber im Kern auch hier vor allen eins: Investitionen.
Es muss möglich sein, dass jede kleine „Milchkanne“ angebunden vom ÖPNV angebunden wird und intelligent mit dem Schienenverkehr vernetzt wird. Hierzu kann auch die Digitalisierung einen Beitrag leisten. Zudem finde ich müssen wir auch in Schienenverkehr wieder über eine Ausweitung in die Fläche reden. Dazu müssen die Mittel des Bundes in den Regionalverkehr deutlich erhöht werden, damit alte Bahnstrecken reaktiviert werden können. Im Schienenfernverkehr (ICE) z.B. muss Bremerhaven dringend wieder angebunden werden. Dies wäre eine wichtige Chance für den Tourismus und die Einwohner*innen.
Die Deutsche Bahn ist zwar in Staatshand, aber halt eine Aktiengesellschaft
Aber man hat im Fernverkehr, im Zuge einer neoliberalen Strategie, die Angebote stark zurückgebaut. Die Deutsche Bahn ist zwar in Staatshand, aber halt eine Aktiengesellschaft und versteht sich als „Global Player“ in der Mobilität. Der Fernverkehr macht nur einen geringen Teil des Umsatzes aus, der Rest wird mit LKWs, Schiffen und Bussen in der ganzen Welt erwirtschaftet. Ist das die Aufgabe eines staatlichen Schienenunternehmen?
Ich finde, wir müssen hier umdenken und uns Fragen was für eine Bahn wir wollen. Übrigens einfach nur „mehr Wettbewerb“ zu rufen, ist keine Lösung, weil der Markt nicht in die Fläche geht und unprofitablere Strecken weiter nicht angefahren werden.
Verkehr europäisch denken
Im Jahr der Europawahl muss aber auch ein anderes Problem beim Verkehr klar angesprochen werden: Der europäische Eisenbahnverkehr. Einen Flug nach Brüssel oder Kopenhagen zu buchen, ist heute über das Internet unglaublich einfach und geht schnell, zudem ist es oft günstig. Beim Schienenverkehr ist dies leider noch viel zu kompliziert und die Verbindungen oft nicht optimal. An dieser Stelle muss ich auch die Einstellung der Nachtzüge bedauern, die Europa nachts verbunden haben. Es braucht hier europäische Initiativen für eine vernetztes und gut ausgebautes europäisches Eisenbahnsystem z.B. mit einer eigenen europäischen Bahnagentur.
Marcel Englisch, 21, wohnt in Braunschweig und studiert Verkehrsmanagement im 2.Semester. Außerdem beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit dem Themen Bus und Bahn.